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KI und Coding: Werden wir schneller, aber flacher?

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Autor: Michael Busch
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KI und Coding: Werden wir schneller, aber flacher?

Ein Beitrag aus der KI-Kantine von Michael Busch

ChatGPT und Co. versprechen uns, das Programmieren zu revolutionieren. Ein kurzer Prompt, und schon spuckt die KI funktionierenden Code aus – sei es für komplexe Webapplikationen oder für ein kleines Skript auf dem Raspberry Pi. Doch während wir diesen Fortschritt feiern, stellt sich eine wichtige Frage: Was verlieren wir dabei?

Der “Circle of Doom” als Lernprozess

Früher sah der Entwicklungsprozess oft so aus: Du hast Code geschrieben, er hat nicht funktioniert, du hast in Dokumentationen nachgelesen, Fehler korrigiert, und irgendwann – nach vielen Versuchen – lief alles. Diesen zähen, manchmal frustrierenden Prozess könnte man als “Circle of Doom” bezeichnen. Doch genau dieser Kreislauf hatte einen entscheidenden Vorteil: Du hast dabei wirklich etwas gelernt. Mit jedem Durchlauf wurde deine Lernkurve flacher und dein Verständnis tiefer.

Der KI-gestützte Coding-Prozess

Heute sieht der Ablauf oft anders aus: Du schreibst einen Prompt, die KI präsentiert dir verschiedene Lösungswege, du wählst einen aus, und schon ist die Funktion fertig – im besten Fall sogar funktionsfähig. Was zunächst wie ein reiner Gewinn erscheint, hat jedoch seine Schattenseiten.

Ein besonders treffendes Zitat aus einem Artikel, der mich kürzlich zum Nachdenken brachte, lautet:

“Wir erschaffen eine Generation von Entwicklern, die sehr schnell im Shipping sind, aber sie können überhaupt nicht mehr erklären, warum der Code überhaupt funktioniert.”

Das Navi-Syndrom

Dieses Phänomen erinnert an das Navigieren mit GPS: Du kommst am Ziel an, aber du hast keine Ahnung, wie du dort hingekommen bist. Du könntest den Weg nicht aus dem Gedächtnis nachfahren. Es ist ironisch, dass viele KI-Assistenten wie GitHub Copilot sich tatsächlich als “Co-Piloten” bezeichnen – denn genau wie bei einem Navi kann die ständige Abhängigkeit dazu führen, dass wir unsere eigenen Navigationsfähigkeiten verlieren.

Warum das Problem ist

Besonders kritisch wird es, wenn etwas schief geht. Wenn Code, den du nicht wirklich verstehst, plötzlich nicht mehr funktioniert, stehst du vor einem unlösbaren Rätsel. Die KI kann zwar versuchen, den Fehler zu beheben – oft durch eine Reihe von “Lucky Shots” – aber dabei verändert sie möglicherweise so viele andere Aspekte des Codes, dass die Kette der Funktionalität noch schwerer nachzuvollziehen ist.

Beim Programmieren braucht man ein mentales Modell – ein inneres Bild davon, wie alles zusammenhängt. Ohne dieses selbst aufgebaute Verständnis wird Fehlersuche zur Ratespiel:

“Man kann halt nichts debuggen, was man selber nicht verstanden hat.”

Balance finden

Die Lösung liegt, wie so oft, in der Mitte. KI ist ein wertvolles Werkzeug – ein hilfreicher Kollege –, aber sie ersetzt nicht das eigene Denken. Am Ende des Tages bist du der Entwickler, der verstehen muss, warum der Raspberry Pi plötzlich blinkt oder nicht blinkt.

Ein Ansatz könnte sein, sich manchmal bewusst gegen den einfachen Weg zu entscheiden und Code ohne KI-Unterstützung zu schreiben – einfach um das Gefühl und das Verständnis nicht zu verlieren. Denn wie der erwähnte Artikel richtig feststellt: “Wiederholung ist, wie man lernt” – und genau diese Wiederholung nimmt uns die KI oft weg.

Fazit

Die KI revolutioniert zweifellos die Art und Weise, wie wir programmieren. Sie macht uns schneller und effizienter – aber möglicherweise auch oberflächlicher in unserem Verständnis. Die Herausforderung besteht darin, diese mächtigen Werkzeuge zu nutzen, ohne dabei die Tiefe des Verstehens zu opfern.

Vielleicht sollten wir uns beim nächsten KI-generierten Code fragen: Verstehe ich wirklich, was hier passiert? Oder kopiere ich nur blind?


Die KI-Kantine ist ein Projekt von Michael Busch, der regelmäßig frische KI-Gerichte auftischt – mit einer Prise Humor und einer Beilage Skepsis.

Die KI-Kantine ist ein Projekt von Michael Busch – Entwickler, Unternehmer und neugieriger Kantinenphilosoph. Hier geht es regelmäßig zur Mittagspause um Künstliche Intelligenz im echten Entwickleralltag – verständlich, praxisnah und mit einer Prise Skepsis. Neue Folgen erscheinen regelmäßig – meistens genau dann, wenn du dir eh gerade ein Tablett schnappst. 📬 Fragen, Feedback oder eigene KI-Erlebnisse? Schreib mir an podcast@ki-kantine.de Alle Folgen & mehr: https://ki-kantine.letscast.fm/